Zum Problem inflationsbedingter Liquiditätsrestriktionen
bei der Immobilienfinanzierung
Von Andrea Gubitz, Karl-Heinz Tödter und Gerhard Ziebarth
Kurzfassung:
Trotz der von der EZB eingeleiteten „Zinswende“ in der zweiten Jahreshälfte 2022 als späte Reaktion auf die deutlich unterschätzte Persistenz hoher Inflationsraten im Euroraum sind die Realzinsen sowohl in der ex post Betrachtung als auch in der ex ante Betrachtung keineswegs als restriktiv einzuschätzen. Die Banken haben allerdings recht rasch strengere Vergaberichtlinien beschlossen, und die Nachfrage im Wohnungsbau und bei den Hypothekarkrediten ist stark eingebrochen.
Der Beitrag thematisiert vor diesem Hintergrund die Bedeutung von Zahlungsstromeffekten bei Annuitätenkrediten und analysiert hier vor allem den sog. front loading Effekt. Danach führen höhere Nominalzinsen selbst bei vollständig antizipierten Inflationsraten und unveränderten Realzinsen zu starken finanziellen Zusatzbelastungen in den ersten Phasen der typischerweise langen Kreditlaufzeit. Derartige Liquiditätseffekte können die Zahlungsfähigkeit bzw. die Zahlungsbereitschaft der privaten Investoren empfindlich verringern. Dies gilt vor allem bei Darlehen in Form der Prozentannuität, da hier zusätzlich ein Laufzeitenverkürzungseffekt auftritt. Solche Darlehen sind in Deutschland recht populär.
Mit Blick auf die Zukunft besteht auch eine reale Gefahr für den Bestand an Wohnungsbaukrediten, wenn es zu einer Refinanzierung des großen Bestands an billigen Wohnungsbaukrediten kommt, ein Risiko, das auch Auswirkungen auf die makroökonomische und finanzielle Stabilität hat.
JEL Klassifikation: G21, G51, E59
Schlüsselwörter: EZB, Geldpolitik, Liquiditätseffekte der Zinspolitik, front loading Effekte, Wohnungsfinanzierung, Hypothekarkredite
Abstract:
Despite the ECB`s turnaround in its interest rate policy in the second half of 2022 as a late reaction to the highly underrated persistence of high inflation rates in the Euro area real longer run market rates cannot be judged as restrictive neither in the ex post nor in the ex ante view. Nevertheless, bank lending provisions became tighter and both, the demand for housing investments and mortgage loans, went down sharply.
Against this background our paper points to the significance of cash flow effects in the case of the widely used annuity loans in housing finance and above all emphasises the role of the so-called front loading phenomenon. From this point of view higher nominal market rates have the capacity to trigger strong extra financing burdens to housing investors in the first phases of the credit life, even in the case of fully anticipated inflation rates and unchanged real rates. Such liquidity effects put much pressure on the solvency or the willingness to pay. This is especially true for loans in the form of a percentage annuity, as an additional maturity shortening effect occurs here. Such loans are quite popular in Germany.
Looking ahead, there is also a real threat to the stock of housing loans when it comes to a refinancing of the big stock of cheap housing-related credit, a risk, that also bears macroeconomic and financial stability implications.
JEL Classification: G21, G51, E59
Key words: ECB, monetary policy, cash flow effects of interest rate policy, front loading effects, housing investments, mortgage loans